wanderlust = n, [won-der-luhst], a strong innate desire to rove or travel about

31.08.2014

Erklären Sie mir die Wirtschaftskrise, Herr Maurer!

Gescheit gemütlich 

Thomas Maurer gibt Antworten


© Ingo Pertramer
Ich lese von ihm, wenn er mit zwei anderen zeltet, um sein Essen selbst zu jagen und letztendlich doch im Wirtshaus landet. Ich sehe ihn, wenn er sich über die aktuellen Krisenherde der österreichischen Innenpolitik lustig macht. Am 13. September 2014 stellt er sich im Kino im Kesselhaus auf die Bühne und erklärt seinem Publikum worum's eigentlich geht in der Weltwirtschaft, inkl. Krisengespräch. Die Rede ist von Thomas Maurer, dem Kabarettisten und Reporter sowie Kolumnisten (gemeinsam mit Florian Scheuba) des Magazins Á la Carte. Mit seinem neuen Programm „Neues Programm“ – Kritik an der voreiligen Titelsuche, um möglichst früh Marketing betreiben zu können? – gastiert der Wiener also endlich in Krems. Am Kutschkermarkt im 18. Wiener Gemeindebezirk lassen wir uns bei Pöhl's Käsestand auf Mohnweckerl mit Liptauer nieder. Wohl bekomm's!


Sie kommen immer wieder an die Tore der Wachau zurück, diesmal nicht (nur) des Weines wegen, sondern durch Ihr neues Programm "Neues Programm", wie schätzen Sie Ihr Publikum hier am Land ein? Immerhin sind Sie ja das Städtische gewohnt...

Ich bin Wein-Freund und seit 30 Jahren relativ regelmäßig in der Wachau. In letzter Zeit etwas weniger. Nach meiner Erfahrung unterscheiden sich Vorstellungen untereinander mehr als dass man ein Stadt-Land-Gefälle hat nicht. Also, ich mache das seit 25 Jahren und ich könnte nicht sagen, dass gewisse Dinge am Land verlässlich besser aufgehen. Es gab Programme, wo ich mich im Vorfeld ein bisschen gefürchtet habe - Menschenfreund war eines davon - weil ich dachte, dass ich eine sehr städtische Type auf die Bühne stelle. Da ging's um das ganze verbürgerlichte, versulzte ehemalige Alternativlager, dann hat sich herausgestellt, dass zumindest in Auszügen auch in den kleinsten Ortschaften irgendwo in einem Tiroler Tal, da hat diesen Lebensstil der Lehrer - man kennt sie auf jeden Fall. Auch weil wir medial zusammen gewachsen sind. Die Riesenunterschiede, dass man am Land nur Witze über willige Mädchen machen darf und in der Stadt über Gugelhupf und Konditorei, das gibt's nicht mehr.

Keine Zwischenrufe...?

Kaum. Es gibt schon regionale Spezifika, wie zum Beispiel in Kärnten habe ich eine Zeit lang schon bemerkt, 1. in welchen Gemeinden ich überhaupt noch spielen kann und das waren dann ganz wenig. Und 2. welche Leute dort hin gehen. Das hat dann bestimmt einen gewissen Deklarationsdruck erzeugt. Das ist natürlich etwas anderes. Da funktionieren gewissen Dinge, wenn du dich mit der gesamten BZÖ-Geschichte befasst hast, und bemerkst, dass das ein ganz anderes Unterfutter hat, als wenn du das in Wien spielst.

Kulturpolitik in Niederösterreich ist sehr stark mit dem Landeshauptmann (ÖVP) verbunden. Wie ist Ihre Einschätzung diesbezüglich? 

Sehr ambivalent. Es ist natürlich sehr viel geschaffen worden, aber auf der anderen Seite ist es natürlich schon so, dass etwas sanft Totalitäres zu spüren ist. (lacht)

Ich selbst kenne zum Beispiel nur Erwin Pröll als Landeshauptmann von Niederösterreich. Für mich gibt es kein anderes Bild. 

Das wird sich schon noch ändern... Es hat so seine dialektischen Komponenten. Nur ein autoritärer Landeshauptmann mit so unbeschränkter autokratischer Machtfülle kann Dinge durchziehen, wie das Deix-Museum oder das Nitsch-Museum oder das Rainer-Museum. Diese Museen hätte jemand, der auf die Stimmung schaut, ob das auch wirklich beliebte Künstler sind, nicht getraut. Der aufgeklärte Absolutismus hat schon was. (lacht)

Man hört natürlich auch von jüngeren, bildenden KünstlerInnen, dass in Niederösterreich sehr schnell und sehr viel gemacht wird in der Kunstszene, wie anderswo. 

Das wird wohl so sein. Das ist nicht meine Kernkompetenz.

Haben Sie von der Wachauer Nase von gelitin gehört, die an der Fährenanlegestelle in St. Lorenz ihren Platz gefunden hat? 

Ja genau. Wenn man gelitin etwas kennt, sollte man denen sagen, die sich aufregen, dass sie froh sein sollen, dass sie nicht das Wachauer Zumpferl kriegt haben. Wobei ich diese Nase persönlich sehr lustig finde. Ich erinnere mich noch an den Empörungsaufschrei Niederösterreichweit als der Dürnsteiner Kirchturm nach Originalvorlagen wieder Blau war, statt dem üblichen Schönbrunner-Gelb. Da hat man eben festgestellt, dass der im Barock eigentlich Blau war - das macht ja einen fantastischen Effekt - aber die Aufregung war groß, die Kronenzeitung-Leserbriefe unzählbar, vom Untergang des Abendlandes war die Rede.

Wie immer, bei uns. Welchen Bezug haben Sie zur zeitgenössischen Kunst?

Ich bin ein doch intensiver Kulturkonsument, wobei ich leider am Abend sehr wenig ins Theater oder Konzert komme, weil ich da selbst viel spiele. Das überlegt man sich vorher zu wenig, dass ein Bühnenberuf extrem kulturfeindlich ist. Sonst bin ich von teilweise Klassik -   erst langsam erarbeitet, denn damit bin ich nicht aufgewachsen - über Jazz und zeitgenössische, intelligentere Popmusik über Film offen... ich lese auch sehr viel. Das läuft ständig durch, ist ein bisschen so wie Essen und Trinken für mich.

Ich hab Ihr Programm schon im Stadtsaal gesehen. 

Ahja,...in Krems müssen wir ohne Bühnenrauch auskommen - sonst kommt am ganzen Uni-Campus die Feuerwehr.

Das wär doch auch einmal lustig... Im Programm geht's um Politisches, aber auch vorwiegend um die Wirtschaftskrise: Woher kommt der Anspruch politisches Kabarett zu machen, und jetzt mehr und mehr in die Wirtschaft einzugehen?

Naja, weil das mehr oder weniger das gleiche ist. Wir haben in den letzten 30 Jahren einen Siegeszug einer Ideologie gesehen, die alles getan hat um die Kompetenzen aus der politischen in die wirtschaftliche Sphäre zu verlagern und dann braucht man sich nicht wundern, dass plötzlich nicht-gewählte Institutionen auch nominell in Demokratien politische Entscheidungen treffen. Dass da jetzt allgemeines Erstaunen darüber herrscht, ist - lieb - war aber eigentlich absehbar und insofern sind das natürlich die großen Weichen. Ich glaube, dass ein sperriges Thema wie das Handelsabkommen mit Kanada und im Weiteren mit den USA, wird für die nächsten Generationen weitaus mehr politische Folgen haben, als ob jetzt der Strache sich irgendwann in einer Regierung blamieren darf oder nicht.

Ist das reines, persönliches Interesse von Ihnen oder hat sich das so ergeben? 

Es ist an und für sich für Satiriker nicht so falsch, wenn sie sich für die Welt in der sie leben interessieren. Und wenn man das tut, dann kommt man auf gewissen Fragestellungen. Abgesehen davon, dass ich Bühnenvermischungen von amerikanischen Stand-Up und anderen Formen verwende, was zu unerwarteten Wendungen führt, ist ein Teil des Programms auf die Wirtschaftskrise angelegt, die ja über uns gegangen ist wie ein Atlantiktief. Das Thema wird ja zunehmend naturwissenschaftlich erklärt. Ich denke, dass das beste Kennzeichen einer totalitären Ideologie ist, wenn sozusagen quasi-naturwissenschaftlich argumentiert wird. Rassismus war auch einmal eine Naturwissenschaft. Der wissenschaftliche Marxismus an den kann ich mich noch erinnern. Und die Marktgesetze, die so dargestellt werden, als wären sie Naturkonstanten wie Lichtgeschwindigkeit. Das ist einfach idiotisch. Jedem, der das sagt, dem müsste vor Scham die Zunge herausfallen. Die meisten merken das aber gar nicht. Und deshalb finde ich es ganz reizvoll mich damit zu befassen. Es ist das Privileg, dass ich mich beruflich mit solchen Dingen beschäftigen kann, zu denen man privat gar nicht kommt. Auch wenn die Berichterstattung mit überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit verfolgt habe, musste ich mich dennoch danach noch einige Wochen auf meinen Hintern setzen und Bücher lesen und noch mehr Fakten recherchieren um zu erkennen, was da wirklich los war. Da hab ich ein grobes Bild gehabt, was überhaupt passiert ist. Diese Erkenntnis wollte ich auf eine kurzweilige Weise teilen.

Das ist eindeutig gelungen. Können Sie von sich behaupten, dass Sie die Wirtschaftskrise verstanden haben? 

Der Vernetzungsgrad ist enorm hoch und es ist nach wie vor sehr vieles nicht bekannt. Ich glaube auch fest an diese Geschichte aus den Zeitungen, dass ab 2008 die goldenen Zeiten des globalen, organisierten Verbrechen angebrochen sind. In der gesamten Kredit-Klemme, als sich alle verzweifelt nach Liquidität gesehnt haben, konnten sämtliche, kriminellen Organisationen der Welt Geld waschen so viel sie wollten. Alle haben gesagt "Danke" und alle Staaten haben weggeschaut, damit nichts Schlimmeres passiert. Ich denke, dass es da keine qualifizierten Schätzungen gibt wie viel Prozent der offiziellen Wirtschaft ursprünglich gar keine offizielle Wirtschaft war. Da verschränken sich die Sphären der Modalitäten. Im 19. Jahrhundert sind die Engländer noch in China einmarschiert, weil die Chinesen nicht wollten, dass die Engländer dort Opium verkaufen. Würde man so heute nicht mehr machen bzw. dem müsste man einen ganz anderen Spinn geben für die Nachrichten.

In eine gute Nachricht verwandeln - positives Marketing. 

Ja, genau.

Ich versuche auch persönliche up-to-date zu bleiben, was in der Wirtschaftswelt passiert. Aber das Privileg sich wirklich hinzusetzen und sich stunden- oder wochenlang damit zu befassen, das ist wie ein eigenes Studium. 

Die Ressourcen in den Redaktionen bröckeln weg. Zeitungen sind ein matter Abklatsch von dessen was sie einmal waren, ein noch matterer dessen, was sie eigentlich sein sollten.

Von der Kultur müssen wir da gar nicht anfangen...

Der Klassik geht's immer noch gut. (lacht)

Neben Ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als Kabarettist, schreiben Sie mehr oder weniger genüssliche Reportagen und Kolumnen für das Lifestyle-Magazin À la Carte. Die Reportage „Überleben“...

Das war sehr lustig...

Das kann ich mir vorstellen. Dabei gingen Sie auch auf vergebliche Nahrungssuche, das ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Da geht's sehr stark um Nachhaltigkeit und woher Nahrung kommt - beim Fleischhauer zum Beispiel... 

Ja, Schweindl abstechen.

Wie ist da Ihr Zugang dazu, Sie sind ja aus Wien - aufgewachsen in der Stadt... 

Ich hab aber Verwandte, die auf dem Land leben. Ganz fremd ist mir das nicht. Also mein Vater und meine Mutter sind jeweils erste Generation in Wien. Mein Vater ist mit seinen Eltern nach Wien gezogen, aber die Großeltern waren Bauern - auf beiden Seiten. Das Ambiente ist mir nicht fremd, obwohl ich selbst nie Bauer war. Das Interesse und woher unsere Nahrung kommt, sollte meines Erachtens jeder haben, der überhaupt Fleisch isst. Nach wie vor herrscht der bizarre Zustand, dass eh jeder weiß, dass es so nicht geht, aber dies völlig konsequenzenlos bleibt. Wenn wir da jetzt 20 Leute fragen würden, ob die Fleischhaltung im Westen in Ordnung ist, sagt jeder "Nein". Da gibt's das Buch von Jonathan Safran Foer, wo er ja auch am Anfang schreibt, wie er Freunden und Bekannten erzählte, dass er über Fleischproduktion schreiben würde. Alle sind davon ausgegangen, dass es sich um ein Vegetarier-Buch handeln MUSS. Das ist schon ganz interessant. (lacht)

Beim "Zelten in der Natur" für die Reportage Überleben hat mich angesprochen, dass es eine Geschichte des Scheiterns ist. Letztendlich ist es nicht dazugekommen, so wie Sie sich vorgenommen haben, dass alles aus der Natur genommen wird und vorm Zelt verspeist wird...

Der Wille war willig...

Bei uns, in unserer Kultur das Scheitern, genauso wie das Fehler Machen ein Tabu geworden ist. Man darf in der Schule keine Frage stellen, weil dann hat der, der gefragt hat zugibt, dass er etwas nicht weiß und somit gescheitert ist. 

Auch darauf kann man Karrieren aufbauen und plötzlich ist man Vize-Kanzler und Finanzminister (Anmerkung d. Red.: zu diesem Zeitpunkt noch Michael Spindelegger) und weiß nicht warum.

Wie stehen Sie zum Scheitern im Leben?

Ich finde, man muss sich nicht extra darum bemühen, es kommt eh...

Das ist die beste Antwort, die man geben kann. Wie ist es zum Kolumnen- und Reportagen schreiben gekommen. Die Beschäftigung mit dem Essen, mit der Nachhaltigkeit im Essen... 

Das hat sich über die Jahren hinweg entwickelt. Ich habe 15 Jahre lang im Kurier eine Kolumne geschrieben. Und diese Kolumne hat begonnen im Falstaff, vor etwa 15 Jahren, weil mein Interesse für Wein und weil ich mit Weinbauern bekannt und richtig befreundet bin und kenne seit Jahren den Peter Moser, der für Falstaff den Wein-Guide schreibt. Vor einigen Jahren kam die Idee, dass eine satirische letzte Seite ganz gut wäre, und die haben Florian Scheuba und ich gemeinsam geschrieben. Nach dem Falstaff-Relauch von Herausgeber Rosam hat uns das Magazin nicht mehr so gefallen und Á la Carte fanden wir das deutlich attraktivere Heftl und sind mit der Kolumne übersiedelt. Bei dieser Gelegenheit fragte ich den Chefredakteur, ob ihn eine Reportage interessieren würde. Mit Ingo Pertramer (Anm. d. Red.: Fotograf) wollte ich schon länger zusammen arbeiten und dann sind wir mit der Schweindl-Geschichte eingestiegen.

Was ist Ihr Lieblingsessen? 

Das kann ich so nicht sagen. Ein sehr breites Spektrum.

Was macht gutes Essen aus?

Gute Zutaten, sachkundige Zubereitung und so viel Zeit wie das Essen eben braucht. Das kann sehr wenig oder sehr viel sein.



© Christian Prenner Photography
Noch einmal zum Programm zurück, da arbeiten Sie mit viel technischen Raffinessen, mit Blitz und Musik, Rauch und dann nur mit Ihnen auf der Bühne, schwarz, Mikro und sonst nichts. Da prallen zwei Welten aufeinander.

Mir war es wichtig zu überraschen. Wenn man auf die dramaturgisch raffinierten Seiten meiner Arbeit steht, ist man in der Pause von meinem Programm etwas enttäuscht und am Ende der zweiten Hälfte sehr begeistert. Es gibt immer unterschiedliche Meinungen. Ich fand aber, dass das doch logisch zusammen gehört. Ich habe die Form des Stand-Up zu spielen begonnen und es eher zitiert. Ich bin kein großer Fan vom meisten was man im deutschen Privatsender von Comedy sehen kann, aber ich bin gerade am Überlegen ob ich nicht ganz bewusst meine Liebe zur verzwickten Dramaturgie beiseite lasse und so einen reinen Stand-up Abend mache. Das wären ganz andere Herausforderungen, weil die dramaturgischen Klammern sind natürlich nicht einfach zu bauen, aber sie halten den Abend zusammen. Wenn's gelingt. Wenn du allerdings wirklich nur auf der Bühne stehst, ist das eine andere Form, wie auch die Amerikaner, die guten Comedians, stehen ja maximal 50 Minuten oben. Bei uns hat man sich an die zwei Hälften gewöhnt, da muss man sich eigentlich in der 2. Hälfte etwas einfallen lassen, weil mir wär das persönlich etwas zu wenig. Aber wir werden sehen. Nächstes Jahr gibt's ja ein neues Programm...

Das freut mich. Wenn Sie das „neue Programm“ mit einem Satz beschreiben, sagen Sie:

Das ist in einem Satz ganz einfach nicht möglich.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit und viel Spaß in Krems! 

29.08.2014

Gewinnspiel für jene, die Handgemachtes lieben

Analoge Observation

Elektro Guzzis gesucht...


Das neue Album des Elektro Trios, das aussieht wie eine Indie-Band, aber dann auf ihren Instrumenten elektronische Musik der Meisterklasse macht, heißt Observatory. Tracks, die Geschichten erzählen, von menschelnder Musik ist die Rede. Bei Elektro Guzzi, die am 4. September nach dem Film "Hector and the Search for Happiness" im Kino im Kesselhaus gastieren, halten sich nicht mit oberflächlichen Hits auf. Sie machen richtig tief gehende Musik, erzählen Stories und bringen Gefühle an die Oberfläche. Tanzbar ist diese Art von Musik allemal. Und vor allem spannend dabei zu sehen, wie Elektro mit Instrumenten passiert.

© elektro guzzi (soundcloud)


Das eingespielte Team übt brav (und LANG!) in diesem Video für den Auftritt in Krems und Folgeauftritte in Wien, Dänemark und Italien.

Ich verlose 1 x 2 Tickets für die CINEZONE Kino + Film am 4. September 2014, wenn du folgende Gewinnfrage beantwortest:

In welcher europäischen Stadt treten Elektro Guzzi am Folgetag, sprich am 5. September auf? 



Schick deine (richtige) Antwort bis 2. September an diekremserin und freue dich auf die Verlosung. Am 3. September wird der Gewinner/die Gewinnerin verständigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


25.08.2014

Diese Bretter bedeuten die Welt

Früher als gedacht, stehe ich nun auf der Bühne. In meinem zweiten Beitrag auf diesem Blog, der schon im November 2013 entstanden ist, schreibe ich ja davon, dass einer meiner langgehegten Wünsche die Schauspielerei ist.



Nun, durch einen Zufall kam eine gute Freundin auf mich zu, die letztes Jahr in der witzigen Verwechslungsgeschichte "Hello Page!" der Neuen Bühne Rossatz ihren Platz gefunden hat. Für das diesjährige Stück fände sie keine Zeit, müsste sich heuer etwas zurück ziehen. Mein Selbst-Interview las sie allerdings und meinte ganz keck: "...aber probier doch deinen Traum aus und spiel statt mir."

Da bin ich also, auf der Neuen Bühne Rossatz, im Schloss, spiele eine junge, eloquente Frau, die dem einen oder anderen Mann den Kopf verdreht. Aber zuviel will ich nicht verraten, schließlich treten wir mit "Wenn die Liebe Anlauf nimmt..." - inszeniert von Massimo Rizzo - erst am 4. September 2014 zum ersten Mal auf. Worauf du dich einstellen kannst, sind zwei Stunden Spaß, spritzigen Humor und lustige Szenen zwischen Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Erste Probenfotos sind auf Facebook zu begutachten.



Die Neue Bühne Rossatz feiert 10-jähriges Bestehen und expandiert nach Bergern, wo die Volksschule Ort des Geschehens wird. Am 13. und 14. September ist das Lustspiel in 4 Akten auch im Nachbarort von Rossatz zu sehen.  Vom 4. bis 7. September haben wir eindeutig Heimvorteil und bringen unser Publikum im Rossatzer Schloss zum Lachen.

Ich freue mich, wenn ich euch dort sehe! 

24.08.2014

Licht im Kapitelsaal

Lichtinstallation von Martina Kändler

Wenn Kunst leuchtet 

Ich bin ein Fan von der Symbiose von Alt und Neu. Schon in der Dominikanerkirche Krems wurde bewiesen, dass sich historische Architektur und zeitgenössische Kunst vertragen und somit bereichern. In der Kartause Aggsbach installiert die deutsche Künstlerin Martina Kändler ab 4. September (Vernissage um 18.30 Uhr) Lichtquader und -kuben, die den Kapitelsaal durchfluten. 

© Marianne Vordermayr


Licht spielt für die Kunstgeschichte seit jeher eine große Rolle. Denken wir an die mühselig gefertigten Glasfenster der gotischen Kirchen, an die edlen Gläser der Adelsfamilien, die wir in den historischen Museen besichtigen können, an die Hinterglasmalerei oder das Handwerk der Glasbläser selbst. Präzision und Akribie sowie völlige Konzentration auf das Werk sind gefragt um ein formvollendetes Glas hervorzubringen. Wie genau dann das Licht durch das Glas kommt, an welchem Punkt des Glases Licht gebrochen wird und welcher Effekt erzielt wird, stehen im Vordergrund. In der heutigen Zeit fällt mir ein ganz bestimmter Künstler ein, der mich immer wieder mit seinen Lichtinstallationen und dem Spiel mit dem Licht fasziniert: der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson. Gerade eben widmet er sich der Land Art: im dänischen Museum of Modern Art spielt er mit der Natur. Im White Cube des Museums fließt ein Fluss, "Riverbed" nennt er die der Landschaft entnommene Arbeit. 

Martina Kaendler © martinakaendler.de


Von Martina Kändler habe ich zuvor noch nicht gehört, aber bin gespannt auf ihre Arbeitsweise. Auf ihrer Website gibt sie einen kurzen Einblick in die Vorbereitung auf die Installation in Aggsbach. Zum Thema "himmelwärts" wird die Kartause, die 1373 durch Heidenreich von Maissau und seine Frau Anna von Kuenring gegründet wurde, Ort des Dialogs zwischen Heute und Früher, zwischen den verschiedenen Künsten, zwischen Neu und Alt. "Kunst in der Kartause" lädt ein zur Spurensuche zwischen christlicher Symbolik und heutiger Auffassung des Wortes Himmel und den damit verbundenen Ideengeflechten. 

Am 4. September 2014 präsentiert Martina Kändler ihre Arbeit in der Kartause Aggsbach. Die Vernissage beginnt um 18.30 Uhr. Zum weiteren (sehr spannenden) Programm in der Kartause Aggsbach werde ich noch einen Beitrag veröffentlichen... 

Die Sommerpause ist vorbei!

September ist Kinozeit

Filme, die ich sehen muss

Das Kino im Kesselhaus macht seine Kino-Tore wieder auf. Nach der wohlverdienten Pause im August warten wieder schöne, nachdenkliche, lustige, anregende und kreative Filme auf die Kinonarrischen unter uns. 

Folgenden Filmen werde ich einfach nicht auskommen können:

EYJAFAJALLAJÖKULL (5.-7. September)

Nachdem ich selbst "Opfer" der über Europa ziehenden Aschewolke war und mein Flug im April 2010 von Dublin nach Wien gestrichen wurde, liegt mir der isländische Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen am Herzen. Dany Boon und Valérie Bonneton spielen ein seit 20 Jahren geschiedenes, ungleiches Paar, das auf Grund des (unaussprechlichen) Vulkans in ein Auto gepfercht einige Probleme zu überwinden haben. Der etwas andere Roadtrip...
Französische Komödie, die mit bitterbösen Wortwitz auskommt!


BOYHOOD (5.-7. September)

Slow filming steht bei Richard Linklater und seinem Cast im Vordergrund. Zwölf Jahre lang begleitete er Ellar Coltrane um seine Entwicklung vom kleinen, nachdenklichen Jungen zum jungen Erwachsenen. Gemeinsam mit einem Traumteam (die Eltern spielen Particia Arquette und Ethan Hawke) bricht Linklater mit den Kinokonventionen: Flash Forwards sind ganz echt und nicht von anderen Schauspielern gestellt. Das Drama rund um Mason Evans, Jr. zeigt, wie sehr eine Persönlichkeit wächst und sich verändert und wie schön (schnell), reale Zeit vergehen kann.


DIE KARTE MEINER TRÄUME (18.-21. September)

Im Standard las ich vor wenigen Wochen ein wirklich inspirierendes Interview mit dem Filmemacher und Geschichtenerzähler Jean-Pierre Jeunet, der nach "Die fabelhafte Welt der Amelie" ein weiteres Kunstwerk der Filmgeschichte in die Kinos bringt. T.S. Spivet lebt in einer Familie, die ungewöhnlicher nicht sein könnte. Der Ruf nach Washington D.C. ermutigt den Jungen zu einem waghalsigen Trip während dem er Menschen kennen lernt, die einem Märchen entspringen könnten. "Die Karte meiner Träume" ist ein Film für jeden und jede, die genau wie T.S. Spivet an Träume glaubt und an das Verwirklichen dieser.

"Ich denke, um seine Träume zu verwirklichen, gibt es kein richtiges Alter - aber der Zeitpunkt ist immer der richtige." 

(Jean-Pierre Jeunet) 


DAS GROSSE MUSEUM (17. September)

Als Kunsthistorikerin MUSS ich diesen Film ganz einfach sehen. Das Kunsthistorische Museum Wien steht im Mittelpunkt, und somit Hauptdarsteller der Dokumentation. Dabei spielen die verschiedenen Handlungen in dem Haus, das so viele Schätze birgt ebenso wichtige Rollen: die Restauratorin, die den Rubens-Gemälden auf der Spur ist oder die Dame vom Publikumsdienst, die sich nicht integriert genug fühlt. Es sind die kleinen Geschichten der Menschen, die das historische Gebäude beleben. Es lebt, es hat gelebt und es wird weiterleben: herrlich, um sich fallen zu lassen und zu träumen...

21.08.2014

#lieblingsblogs

Wo ich regelmäßig zu Gast bin

Blogs zum Versinken



Begonnen hat alles mit der regen Suche nach online-Rezepten, vorbei an Chefkoch und den übrigen Verdächtigen. Irgendwann als ich das perfekte Humus-Rezept brauchte, stöberte ich sehr, sehr intensiv in den Blogs. Und stieß auf Joy the Baker. Joy, die sich nicht nur mit Rezepten beschäftigt, sondern diese ausprobiert und abfotografiert. Akribisch genau, mit viel Liebe zum Detail und wunderbar kreativ. Joy, die Kochbücher publiziert hat und auf Lesereise war. Joy, die zwar nicht das perfekte Humus-Rezept online stellte, aber mir dafür die optimale Anleitung zum Rhabarber Crumble gab. Joy the baker öffnete mir die Tür zur Bloggerwelt als ich noch gar nicht wusste, dass ich selbst einmal in die Tasten hauen würde. 

© smittenkitchen.com
Kurz darauf - immerhin musste ich noch das perfekte Humus-Rezept finden - wurde ich in der Onlinewelt mit Deb Smitten Kitchen Perelman bekannt. Die junge Frau entpuppte sich als Queen der Rezepte. Für meine jeglichen Tipps, die ich mir tagtäglich vor dem Abendessen hole, zählt sie zu einer der ersten Ansprechpersonen. Vor allem nach diesem Humus-Rezept, das herrlichste, das ich jemals gegessen habe! 

© creativelena.com


Nach diesen Food-Blogs, die mir wirklich sehr ans Herz gewachsen sind, lese, stöbere und reise ich gerne mit Elena durch die Welt. Elena schreibt über ihre kreativen Reisen, ihre Foodtours, ihre vielen Begegnungen mit wunderbaren Menschen aus aller Welt. Wir lernten uns im Mai persönlich kennen und werden im August noch gemeinsam auf Reisen gehen - darauf freue ich mich sehr. Ihren Weg den sie als Bloggerin geht, nehme ich mir zum Vorbild!

© mitvergnuegen.de


Viel Vergnügen habe ich mit den Berliner Bloggern Matze und Pierre von Mit Vergnügen! Wie mein Blog schreiben die Jungs über Events und (Kultur-)Veranstaltungen sowie Kulinarisches rund um die deutsche Hauptstadt. Ihre Serien (wie 40 Days of Eating) machen Spaß und ich habe große Lust endlich wieder nach Berlin zu fahren, um die zwei zu besuchen. Mit Vergnügen!

© foxesandfairies.com


Erst vor Kurzem bin ich auf Foxes & Fairies gestoßen, einem Blog über Lifestyle und Fotografie, der mich immer wieder inspiriert und einlädt über viele spannende Themen nachzudenken. Vor allem anregend sind die lyrischen Ergüsse der Lady hinter Foxes & Faires, die ganz nebenbei bemerkt Füchse und Eichkätzchen liebt... 



Zu guter letzt noch die Mädels, die dort zuhause sind, wo ich früher zuhause war. In Wien Mitte. Und sie laufen, posten von ihren Reisen und von dem, was sie gerne anziehen, was gerade hip ist. Thanks - weiter so!

20.08.2014

Happy Birthday, MOYOme!

Ich verbringe sehr viel Zeit mit Linda und Doris. Im MOYOme, beim Boot Camp im Stadtpark oder bei unseren Vorbereitungen zu den "Krems unter freiem Himmel" - Festen oder einfach wenn wir uns in der Stadt über den Weg laufen.

alle Fotos © diekremserin
Aus einem sympathischen Interview, das kurz nach meinem diekremserin-Start in der Wald4tlerin erschien, hat sich eine großartige Freundschaft entwickelt, die ich nicht missen will. Die Stadt, in die ich vor 10 Monaten gezogen bin, bekam durch diese Begegnung einen Mehrwert. Lustige Unterhaltungen bei Kaffee, der besser nicht sein könnte - ja, Doris, du bist verrückt, aber deine Kaffees sind der Hammer - und meinen Lieblingsspeisen mit orientalischem Einschlag - Granatapfelsalat: danke für's nach Krems bringen, Linda! - ließen mich zur Stammkundin des MOYOme in der Landstraße werden.






Nun feiert ihr mit eurem fantastischen Team Geburtstag: ich wünsche euch viele, viele weitere Male 365 Tage im Jahr, an denen ihr uns Schleckermäuler mit neuen Kreationen überrascht! Danke für das letzte Jahr und eure Ideen! 


Happy Birthday! 



18.08.2014

Kaffeehaus-Gespräche V

"Das ist Freiheit für mich!"

Mit Parkour-Running und Breakdance zum Lebensgefühl

Stell dir vor dein Körper wäre eine Spielfigur wie Mario oder Luigi und deine Stadt das Level kurz bevor du die Prinzessin aus den Fängen der biestigen Kreatur rettest. Deine Umgebung und du, ihr geht eine Symbiose ein, verbindet euch, seid aber auch eure stärksten Gegner.

© one2free

Soweit ich verstanden habe, bedeutet Parkour-Running soviel wie mit dem eigenen Körper Strecken von A nach B künstlerisch und mit sehr viel Körpereinsatz auf unterschiedliche Arten zu bewältigen. Das kann aussehen wie folgendes Video von einem der besten Free-Runnern aus London. 


Free-Runner und Breakdancer Arno Fürnsinn habe ich zu einem spannenden Gespräch im Stadtcafé Ulrich getroffen, wo er momentan seine photographischen Momentaufnahmen des Lebens ausstellt. Besonders der Werdegang des 22-Jährigen imponiert mir. "Ich bin schon früher als Kind überall hinaufgeklettert, bin auf Steinmauern balanciert und habe meine Umgebung als großen Spielplatz wahrgenommen." Arno, der sich nach seiner Tischlerlehre entschieden hat in die Selbstständigkeit zu wechseln, hat eine sehr gesunde Einstellung zum täglichen Leben: "Ich mache alles so lange wie ich es gerne mache. Ich weiß nicht, ob ich in fünf Jahren nicht wieder etwas anderes mache." In Krems, wo er zur Schule gegangen ist, seine Freunde leben und wo er sich einfach wohl fühlt, ist seine Homebase - der Platz, an den er zurückkehrt, wenn er vom vielen Reisen eine Ruheoase braucht. Aber er sieht Krems auch als Übungsplatz. Die Möglichkeiten sind beim Parkour-Running fast unendlich. Basisbewegungen und vor allem der richtige Umgang mit dem eigenen Körper stehen im Vordergrund. Das gibt Arno seit fast 2 Jahren an Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene mittels Workshops und Kursen weiter.

"Gerade bin ich von einem sehr intensiven und erfolgreichen Workshop hergekommen. Mir macht es Freude zu sehen, wie begeistert Kinder Bewegungen in der Stadt mit ihrem Körper ausüben - und wie schnell und furchtlos sie dies tun. Drei Stunden sind wir durch die Stadt gelaufen und uns ausgetobt. Die Stadt gibt so viel her!" Nach meiner Frage, wie seine Tätigkeit mit Beschwerden einhergeht, belächelt er milde. "Wie immer gibt es jene, die meckern und nicht verstehen, was ich mache. Aber wir randalieren nicht, machen nichts kaputt, sondern wir nehmen die Stadt als Spielplatz wahr! Im Stadtpark turnten wir am Denkmal, sind geklettert und hatten sehr viel Spaß dabei. Ein älterer Herr beobachtete uns die ganze Zeit mit einem sehr kritischen Blick. Als ich beim Weitergehen bei ihm vorbeiging - ich hatte schon das Gefühl, dass er sich negativ äußert - meinte der Herr nur kurz: "Endlich is des Denkmal für was guat." Damit hatte ich gar nicht gerechnet!"  



Neben dem Parkour-Running, das Arno zum Gefühl der absoluten Freiheit zählt, unterrichtet er auch Breakdance. Aber der körperlich Vielseitige nutzt die großartigen Blicke auf Krems aus ungewöhnlichen Höhen (meist von Dächern!) für künstlerische Aufnahmen mit seiner (Sport-)Kamera. "Open Portals" heißt die Ausstellung im Stadtcafé Ulrich, wo er zeigt, dass sich der Sichthorizont der Menschen erweitern müsste, um endlich auch die Seiten der Stadt und Umgebung zu sehen, die sonst bemängelt wird. Neben Arbeiten, die eindeutig den Lifestyle seiner Berufssparte widerspiegeln, setzt er ganz alltägliche Dinge - wie einen Kanaldeckel vorm Ulrich - in Szene. "Jedes Bild hat eine eigene Geschichte, dahinter stecken für mich viele Werte, die der Betrachter vielleicht gar nicht sehen kann oder soll." Während wir uns gemeinsam jedes Bild ansehen, erklärt mir Arno wie es zu den einzelnen Abbildungen kam und wie sehr sie mit ihm verbunden sind.

Das Video von seiner Kremser Gruppe one2free fasziniert nicht nur, sondern zeigt auch mit wie viel Akribie Arno seine Videos macht. Das Filmen zählt nämlich ebenso zu seinen Leidenschaften wie das Fotografieren.

© one2free

Wenn du also jemanden in der Stadt triffst, der über Mauern springt, Saltos macht und Statuen (ohne sie zu beschädigen) auch nutzt, bist du eindeutig Arno Fürnsinn über den Weg gelaufen. Im Stadtcafé Ulrich sind seine Fotografien zu sehen und du lernst Arno von einer ganz anderen Seite kennen.

In unserem Gespräch meinte ich in einem Nebensatz - nachdem ich zugestimmt habe, selbst einmal auszuprobieren wie ich mit Parkour-Running zurecht käme - dass ich wohl niemals einen Salto machen werde. Darauf antwortete Arno: "Das werden wir sehen. Du musst ja nicht gleich mit einem Rückwärtssalto beginnen..."


12.08.2014

Kunst ist Kunst

"(...) aber du brauchst deine Ellbogen, um durchzukommen."

Daniel Domaika in seinem Atelier in Stein


Wann ich Daniel Domaika das erste Mal getroffen habe, weiß ich nicht mehr. Im Laufe meiner Blogger-Tätigkeit liefen wir uns wohl in einem der Cafés über den Weg, wurden vorgestellt und blieben von dem Zeitpunkt an in Kontakt.
© diekremserin


"Ich bin so ein ungeduldiger Mensch.", meint Daniel und grinst mich an. In seinem herrlich spanisch-angehauchten Deutsch, erzählt mir der aus dem Baskenland stammende Wahlösterreicher von seinem künstlerischen Werdegang bis zur Eröffnung seines Atelier am Minoritenplatz in Stein. Neben seiner unglaublichen Motivation führte die Hibbeligkeit und Unrast wohl dazu, dass das Atelier früher als geplant schon im Juni aus dem Schutt zur Schönheit wurde. Nicht nur die Arbeiten von Daniel strahlen in den Rahmen von Thomas Gieses Afro-chic, sondern der Gewölberaum im Mezzanin eines Steiner Bürgerhauses glänzt wie neu. "Bis oben hin mit Müll ist dieser Raum gewesen. Ich habe alles händisch ausgeräumt, renoviert und hergerichtet... und alles ist aus Recycling-Gegenständen." Selbst während des Interviews sitzen wir auf alten Stühlen rund um eine riesengroße Spule, um die bestimmt einmal Schläuche gewickelt waren.

© diekremserin

Recycling, also Materialien, die andere wegwerfen und die Daniel als wertvolle Produkte sieht, durchzieht nicht nur sein Atelier und seine heutigen Arbeiten, sondern geht zurück in seine Kindheit. "Mein Opa und meine Oma sind meine größten Vorbilder. Sie haben mir gelernt, dass ich aus jedem Material etwas schaffen kann." Daniels Oma dürfte eine begnadete Schneiderin gewesen sein, sein Opa nicht nur Kunsttischler, sondern ein Tüftler und ein Erfinder. Jemand, den ich sofort mit dem Künstler in Bezug bringen kann. Gequält von der Unruhe zu lange untätig in einem Kurs Deutsch zu lernen, stellte sich der Künstler gemeinsam mit seiner Partnerin wöchentlich auf den Markt und verkaufte Veras Knödel und seine baskischen Süßspeisen. Heute, zwei Jahre und drei Monate später, braucht es keinen Deutschkurs mehr. Die eine oder andere grammatikalische Unsicherheit nimmt ihm dann auch niemand übel.
Auch vorm Studieren in La Rioja zog er den Hut und haute ab. "Sitzen und zuhören,... ich bin einfach zu ungeduldig dafür!" Bei Reisen durch Europa und durch afrikanische Staaten holte er sich Inspiration.

Vor dem Atelier, mitten am Minoritenplatz stellt Daniel, wann immer er vor Ort ist, seinen Rundspiegel hin, den er in einem alten Haus im Kamptal gefunden hat, denn "der Spiegel dürfte auf die Menschen wirken wie ein Lagerfeuer früher. Stundenlang stehen die Menschen drumherum und sprechen miteinander." Das Objekt, das ursprünglich aus Finnland nach Österreich kam, bringt die Leute zusammen, während die große bronzene Skulptur von Manfred Walkobinger eher auf Verwirrung stieße, meint der Künstler.

"Ich habe so viele Ideen für die Stadt, Lucia! Du weißt gar nicht, was mit PET-Flaschen alles zu machen wäre...", Daniel Domaika verweist dabei auf seine skulpturale Installation am Tomorrow Festival beim AKW Zwentendorf im Mai. Dort konnte er mit Hilfe von tausenden gesammelten PET-Flaschen Sitzplätze für die Festivalbesucher schaffen, die sogar von innen beleuchtet wurden. "Weltoffen bin ich ja, aber nicht politisch. Ich will Nachhaltigkeit fördern und ökologisch arbeiten. Bevor ich her kam, hatte ich ein bestimmtes Bild von Österreich, als gesundes Land ohne Müll. Leider sehe ich, dass dies nicht stimmt."

© diekremserin
Dass sich der Künstler, der momentan seine Zeichnungen Vogel trifft Wurm ausstellt, dann doch mit Politik intensiv auseinandersetzt, zeigt seine Serie für das Österreichische Wirtschaftsforum, in der er die schweren Zeiten der EU treffend karikiert.
Txirimiri ta gehiago dagegen heißt eine weitere Serie, an der Daniel Domaika stetig arbeitet: Nieselregen und mehr, lautet die Redensart ungefähr übersetzt vom Baskischen (wie passend, bei diesem Sommer!). "Schau genau hin! Du erkennst so viele kleine Zeichnungen in den großen, bunten Tropfen... Wenn du weiter weg gehst, siehst du ein realistisches Bild - ich bin ein großer Fan von Picasso und den Kubisten - und wenn du ganz nah an die Leinwand gehst, erkennst du viele verschiedene Szenen." Daniel geht vor und zurück, demonstriert, wie sich der Betrachter bewegen soll um alle Kleinigkeiten wahrnehmen zu können.

Als Torwart in der 3. spanischen Division feierte er Erfolge und Niederlagen. Als Künstler im niederösterreichischen Krems hat er viele Unterstützer. Aber wie er selbst meint: "Kunst ist Kunst, aber du brauchst deine Ellbogen, um durchzukommen." In Krems hat Daniel Domaika schon einiges bewirkt.

© diekremserin


10.08.2014

Wer sind eigentlich die Partnerstädte von Krems? Teil 2

VIRTUELLE BESUCHE

in andere Welten?

Im letzten Beitrag über Partnerstädte von Krems schrieb ich von Böblingen und Ribe, zwei Kleinstädte, die vermeintlich viel oder wenig mit unserer süßen Mittelalterstadt zu tun haben. In Beaune konnte ich vergleichsweise viele Anknüpfungspunkte finden und bin mir sicher, dass ich mich im französischen Burgund genauso wohlfühlen würde wie hier, vor Ort :) Mein nächstes Reiseziel steht auf jeden Fall fest...

Beaune (Frankreich)

seit 1976 Partnerstadt von Krems



Gleich am ersten Blick ist mir völlig klar, wieso Beaune und Krems Gemeinsamkeiten gefunden haben, sich zu verpartnern. Der Wein steht in beiden Städten im Mittelpunkt. Krems, die Stadt am Beginn der Wachauer Kultur- und Weinlandschaft, steht Beaune gegenüber, das in Rick Steve's Blog folgendermaßen genannt wird:

It is the epitome of what you would imagine the wine region of France to be. Cobblestone streets, antique buildings, exquisite shops, delectable food and wine, wine, wine! What more could we ask for?




Die Stadt liegt zwischen Dijon und Autun zentral in der Region Burgund. Ihr mittelalterliches Zentrum ist noch von einer intakten Stadtmauer eingeschlossen und fällt besonders durch ein restauriertes, gut erhaltenes Krankenhaus aus dem 15. Jahrhundert auf, das Hôtel-Dieu. Gesponsert vom ehemaligen Finanzminister Nicolas Rolin und seiner Frau, die Philipp dem Schönen dienten, verweist das Bauwerk auf längst vergangene (bessere?) Zeiten. Noch heute wird ein Großteil der Erlöse eines Weinfests im November an eine karitative Einrichtung gespendet, in Anlehnung an Rolins Interesse am Gemeinwohl durch das Krankenhaus.

Ein kunsthistorisches Plus erhält Beaune für die Notre-Dame-Kathedrale beziehungsweise die Tapisserien (Wandteppiche) aus der gotischen Zeit, die sie aufbewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich macht.  Die fünf gewebten Wandbilder erzählen aus dem Leben der Jungfrau Maria und berichten von einzigartiger Handwerkskunst, die nur mehr ganz selten erhalten in dieser Größe erhalten ist.

Plus Nummer 2: Château d'Ancy-le-Franc, ein Schloss des Symmetrie-Meisters Sebastiano Serlio, das weder in Italien noch im übrigen Frankreich ein vergleichbares Pendant bekam.

© chateau-ancy.com 

Die nächsten Partnerstädte, die ich virtuell besuchen werde, sind Kremsier in Tschechien, Grapevine in Texas, USA und das deutsche Passau... sei gespannt!

08.08.2014

Pop-Up in Krems?


Grafenegg goes Krems

Geheim-Konzerte auf der Kunstmeile Krems


Heute durfte ich an einer ganz besonderen Aktion teilnehmen. Das European Union Youth Orchestra nahm das schöne Sommerwetter und sein Konzert am 9. August in Grafenegg zum Anlass Konzerte an unterschiedlichen Orte in Krems zu geben. Gratis. Öffentlich zugänglich und spontan.

Zuerst kam ein Bläserquintett in die Kunsthalle Krems, direkt in der Ausstellung von Martha Jungwirth spielten die jungen MusikerInnen Variationen aus dem 20. Jahrhundert. Die Zuhörer standen rund um die Orchestermitglieder.

© diekremserin


Draußen, am Vorplatz des Karikaturmuseum Krems, gesellten sich dann einige Radfahrer und Spaziergänger zu den Streichern dazu, die trotz der immer wieder vorbeifahrenden Autos, geduldig und ruhig blieben und ihr Programm professionell durchzogen.

Das dritte Konzert-Happening wurde am Minoritenplatz in Stein inszeniert. Der Platz mit den Häuserfronten ließ den melodischen Klang von Streich- und Blasinstrumenten fast wie in einem Konzertsaal erklingen. Auf dem Bänkchen vor der Minoritenkirche setzten sich zuhörende MusikerInnen hin, Radfahrer machten halt und blieben stehen, belagerten den wunderschönen Platz.

© diekremserin


Ich bin begeistert, wie flexibel und wunderbar einfach solche Aktionen sein können. Die EUYOs wirkten stressfrei und völlig relaxed. Hat Spaß gemacht! 


07.08.2014

Jetzt und Früher

Wolfgang Ernst in der Dominikanerkirche

Wenn Kunst bewegt

Eigentlich hatte ich vor endlich ins museumkrems zu gehen. Kremser Senf usw. Aber dann, als ich die schweren Glastore der Dominikanerkirche am Körnermarkt aufstieß, wollte ich nur mehr eins: hinein in den gotischen Bau, hinein in die luftige Ausstellung, hinein in Zeit:Kunst.

© diekremserin via instagram

Die Quellen der Inspiration liegen verstärkt in außerkünstlerischen, geistes- sowie naturwissenschaftlichen Standpunkten, die bis in vorchristliche Zeiten zurückreichen.

Die Ausstellung "Licht Blei & Schatten" des Künstlers Wolfgang Ernst kuratierte die Kunstkritikerin Margareta Sandhofer, die mit sehr viel Bedacht an die Arbeit ging. Kein white cube - also die handelsüblichen vier weißen Wände, mit der zeitgenössische Kunst sonst ausgestellt wird - umgibt die Kunst und die Betrachter. Alte Mauern, älter als wir uns erinnern können, alt genug, um Geschichten zu erzählen. Tatsächlich finde ich an vielen Stellen Malereien aus vergangenen Zeiten. Im Vordergrund stehen dennoch die einfühlsamen Werke von Wolfgang Ernst. 

Ins Auge gesprungen ist mir besonders diese gefiederte Skulptur, die wie eine Stele nach oben strebt. Wunderschön fasziniert und gleichzeitig verwundert wandte ich meinen Blick auf die Skulptur daneben. Die "erfolgstreppe" (1968) aus Stahl und Gras. Sehr subtil schmiert Wolfgang Ernst, der 1942 in Wien geboren heute in Niederösterreich lebt, den Betrachtern seinen Blick auf die Welt und ihr geistiges Eigentum, ihre kulturellen Errungenschaften und das stetige Wollen der Menschheit ums Maul. Aber eben subtil. 



© diekremserin


Der Rundgang durch die Ausstellung ergibt sich fast wie selbst, denn obwohl ich glaubte alles im Blick zu haben, rundet die ca. 2,30 m hohe, weiße Ausstellungsarchitektur den historischen Ausstellungsraum ab. Gleich zu Beginn konfrontiert Wolfgang Ernst uns mit Text-Bild-Nachdenk Arbeiten, die sich durch die gesamte Ausstellung ziehen. Text und die Veränderlichkeit dessen, was geschrieben steht und wie jeder Mensch dies anders versteht, steht eindeutig im Vordergrund. Dabei fallen mir besonders die "Hoehlen-Texte" auf. Mit Mortadella "geschriebene" Sätze sind bis zur Unkenntlichkeit verschimmelt, verrutscht und zerkleinert. Ganz unbewusst denke ich über Platons Höhlengleichnis nach und schüttle die Gedanken wieder ab, als ich in den großen Spiegel sehe. Die Tür nach draußen? Dorthin, wo sich die Menschen bewegen, deren Schatten ich sehen kann? Ich fühle mich wie Truman - beobachte mich selbst und werde beobachtet. Dann betritt man den Altarraum, den heiligsten Ort der ehemaligen Kirche, und sieht neben mittelalterlichen Wandmalereien großformatige, in Schwarz gehaltene Arbeiten...

Und dann ist da noch die Arbeit "Kassandra", die Schrift, Licht und Grafit vereint. In einem Kreis als vermeintliches Altarbild sticht der Schriftzug in Neonlicht hervor. "Kassandra" - wer ist diese Frau? Was tut sie? Welchen Hintergrund hat sie? Abermals komme ich ins Grübeln, bevor ich den Altarraum durch die Spiegeltür hinaus verlasse und mich noch einmal umdrehe.




© diekremserin

Der Zusammenhang und die Verbindung zwischen Kunst aus unterschiedlichen Materialien, dem historischen Gebäude und seiner Umwidmung vom geistlichen Raum hin zum Kunstraum, wird mit Wolfgang Ernsts Arbeiten optimal genutzt.

Bis 19. Oktober 2014 ist die Ausstellung in Zeit:Kunst Niederösterreich zu sehen.

© diekremserin



05.08.2014

Ein zweites Mal

Krems unter freiem Himmel II

ein Fest für die Sinne

Ja, tatsächlich, es wird wieder soweit sein. Der Stadtpark gehört wieder uns! 
Jetzt, wo der Pavillon in der Kremser Oase schön restauriert und wie ein Prunkstück glänzend in mitten der grünen Pracht steht, und endlich zugänglich ist, lade ich zum 2. Teil von Krems unter freiem Himmel.

© diekremserin

Das Motto gemeinsam mit MOYOme Doris und Linda sowie Felix (Kaffee) gewählt, lautet am 21. September: WELCOME HOME! Hol' dir deinen Sommer zurück


Warum Mitte September? Die neuen Studenten und Studentinnen sind am Campus Krems angekommen, haben ihre Wohnungen bezogen und die Altstadt(-lokale) teilweise erkundet. Zurück in Schule und Arbeit leben die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt wieder ihr gewohnt eifriges Leben. 

Aber wir alle denken gerne zurück an den Sommer, der schon wieder in weiter Ferne zu liegen scheint. Altweibersommer, sei Dank! 



Ich freu mich auf ein Fest mit euch! 




03.08.2014

Willst du meine Frau werden?

Dekadenz mit Maschin

Liebe für alle vom Salon Ditta




Gmünd ist im Waldviertel. An der tschechischen Grenze. Also so weit oben, dass Krems ziemlich weit weg erscheint.
(c) diekremserin, Gmünd I

Gmünd hat den Salon Ditta und das Palaverama Festival. Gemeinsam waren ich, der Kulturverein und das Festival auf einem Feld in Gmünd II. Gmünd I lautet die Adresse für jene, die am mittelalterlichen Stadtplatz wohnen. Gmünd II dürfte der etwas günstigere Bezirk sein. Vor dem Palaverama Festival war mir nicht klar, dass sich Gmünd in zwei Teile aufteilt - mit eigener Postleitzahl. Nach dem Palaverama Festival wusste ich, dass der Vorteil an Gmünd II ist, gleich neben dem Festival zu wohnen. Von der Wohnung meiner Cousine bis zum Festivalgelände - klein, aber umso feiner - waren wir gute 6 Minuten zu Fuß unterwegs und kamen auf der mit Paletten ausgelegten Wiese an. Schuppdiwupp, ein Presseausweis kam daher und ich schummelte mich mit meiner Freundin unter die Menge. Nach Sco und Gerard leisteten wir uns ein Rote-Linsen-Aufstrich-Brot und begannen mit den Mitgliedern vom Salon Ditta zu plaudern.

(c) diekremserin, Salon Ditta
Gmünd ist dort, wo die meisten von den Vereinsmitgliedern und Gönnern aufgewachsen sind. Jetzt leben sie gar nicht mehr da, oder nur vereinzelt. Dass aber so viel möglich ist, sehen sie alle. Florian erzählt, dass die engagierte Gruppe von jungen Waldviertlern im September 2013 das Format //besucht ins Leben gerufen haben, bei dem sie ca. alle 2 Monate junge, talentierte Singer/Songwriter und Poeten an einen Standort ins Waldviertel einladen. Am Pala bereiten sie den Besuchern und Besucherinnen eine gute Zeit, da sie die typische Waldviertler Kost Er'pfä zu Puffer reiben und in Fett zu Laibchen backen. Yummy. Mit Knofi-Sauce.

(c) diekremserin, Maurice & Michael von Bilderbuch




Da beginnen schon Bilderbuch auf der Bühne zu rocken. Das Publikum geht ab. Endlich! Ja, der wasserstoffblonde Maurice spielt mit seiner Stimme, bedient die Menge mit Posen, die Spaß machen und an DEN österreichischen Musiker des letzten Jahrhunderts erinnern: Falco. "Unsre Jugend wird dahin sein, wie der Rauch aus dem Schornstein." - Ganz ehrlich, wer bei den Texten von Bilderbuch genau hinhört, nimmt wahr, mit wieviel Witz und Ironie die Burschen an ihre Lyrics-Generierung herangehen. Musikalisch top, macht mir das Quartett Laune auf mehr. Deshalb bin ich gleich dabei, als sich Maurice und Michael von der Bühne ins Publikum mischen und erstmal ein paar Schlucke trinken. Bevor sich eine zu große (Mädchen)-Menschentraube bildet, nutzen Judith und ich die Gelegenheit für ein Foto und ein kurzes Gespräch. Woher das Palaverama seinen Namen hat, wissen die beiden nicht... wir sind auf der richtigen Spur.

Thees Uhlmann & Band lassen die Gitarren klingen und die Bilderbuch-Jungs verziehen sich in den wohlverdienten Feierabend. Thees ist freundlich, fühlt sich wunderbar wohl in der kleineren Festivalrunde (letztes Jahr am Frequency waren dann doch ein paar mehr Menschen unterwegs) und schmiert uns Ösis Honig ums Maul. Aber sympatisch! Musikalisch machen er und Band das, was wir von ihm erwarten. Und das ist gut so. Nachdem der Tourbus in der gleichen Nacht noch weiter nach Hamburg fährt, zischen Thees und Band nach dem Konzert schon wieder ab. Ein Kurzbesuch in Gmünd, der sich bestimmt ausgezahlt hat. Für mich, meine Freundin und Salon Ditta in jedem Fall.

Wir gehen schlafen. Ha-ha-halt mich fest, la-la-lass mich nicht los...

(c) diekremserin, Lucia & Judith
(c) diekremserin, Lucia & Judith




02.08.2014

Kaffeehaus-Gespräche IV

Mit einem Camper durch Amerika

Irmie Vesselsky träumt


Wie stellt man sich jemanden vor, der in die Sparte Singer/Songwriter fällt? Ich habe gegoogelt. Das heißt, ich wusste vorher ungefähr wie Irmie Vesselsky aussieht. Sympathisch, dachte ich mir. Glücklicherweise wurde ich in meiner Annahme bestätigt, als sie auf die Terrasse des Stadtcafé Ulrich kam und mir dankenswerterweise meine Fragen beantwortete, die von Touren in den USA, CD-Verkäufen und dem klappbaren Klavier handelten...

diekremserin: Ich dachte, ich beginne heute mit einer etwas unkonventionelleren Frage: welches Lied hast du zuletzt gehört? Was hast du für eine Melodie im Ohr?

Irmie: (lacht) Was ich bewusst wieder einmal aufgelegt habe, war der Soundtrack von "Das Piano", das hat so zu dem Regenwetter gepasst. Aber das war natürlich nicht der letzte Song, den ich gehörte habe... Gerade jetzt im Radio, wo meiner Meinung nach sehr viel Blödsinn gespielt wird, muss es wohl "Jessie" gewesen sein... Vielleicht bleiben wir doch bei "Das Piano"?!

Verbindest du etwas mit dem Film oder mit der Filmmusik?

Beides. Ich hab den Film das erste Mal sehr, sehr jung gesehen und vielleicht gar nicht so gut verstanden, aber er hat meine Liebe zum Klavier gefestigt. Der Film und die Musik sowieso haben mich sehr inspiriert. "Das Piano" habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. In meiner Jugendzeit passte es zur Melancholie, dann ist das Album jahrelang in meinem alten Zimmer in meiner CD-Sammlung gewesen. Gestern hat's einfach gepasst und ich bemerkte wie schön diese Musik ist...

Wie bist du ganz banal zum Klavierunterricht gekommen? Oder ist der Wunsch Musikerin und Sängerin zu werden immer schon in dir geschlummert? 

Ich hätte mir nie zugetraut wirklich beruflich Sängerin zu werden. Aber schon als Kind lernte ich Blockflöte, danach war klar, dass ich Klavier lernen wollte. Meine Eltern haben das nicht wirklich ernst genommen - aufgrund der teuren Anschaffung bekam ich ein Keyboard. Auf dem habe ich dann sehr viel geklimpert und experimentiert, sodass ich ab ca. 13 Jahren tatsächlich Unterricht bekommen habe. Zum Glück stand meine Klavierlehrerin hinter mir und hat mehr oder weniger verkündet, dass ich ein g'scheites Klavier brauche. Sie gab den Ausschlag dazu, dass ich den Weg einschlug - bei meinen Eltern hat dieses Anerkennen, dass ich Musikerin bin, noch etwas länger gedauert...
Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter öfter ins Klavierzimmer gekommen ist, wo ich geübt und getüftelt habe, und gemeint hat: Geh doch raus, spiel mit Freunden,... So wie Kinder heutzutage vor dem Computer sitzen, saß ich stundenlang vorm Klavier. Viele dieser Erinnerungen sind mir gar nicht mehr so bewusst, aber erst am Wochenende, als meine Schwester zu Besuch war, meinte sie, dass das ganze Haus gebebt hat, als ich Klavier gespielt habe.
Frag mich nicht wie ich auf das Klavier gekommen bin,... es war einfach da!

Die Liebe zur klassischen Klaviermusik kam erst als ich aufhörte Klavierunterricht zu nehmen. 


Du hast also Klavierunterricht genommen - wie kam es dazu, dass du 2008 ein Album aufgenommen hast? 

© Irmie Vesselsky
2008 war eine wirkliche Entscheidung. Ich habe begonnen mit 15, 16 Jahren Songs zu schreiben und sehr wohl vor einem imaginären Publikum gespielt. Der Gedanke war schon da. Unglaublich, wo wir überall waren, mein Klavier und ich. wir haben die Bühnen der Welt bespielt. Aber es durfte nie jemand zu hören. Wenn ich gestört worden bin - ich habe mit meiner dauernden Spielerei genervt - dauerte es 3-4 Tage bis ich wieder hinein gegangen bin, ins Klavierzimmer. Ich fühlte mich ertappt beim Klavierspielen...obwohl mich während ich spielte ja auch das ganze Haus hörte. Vorspielen habe ich gehasst bei Konzerten in der Schule, auch beim Klavierunterricht; ein komisch-gespaltenes Verhältnis zum Performer. Aber nach und nach kam der Drang gehört zu werden. Mit 18 wurde ich dann ganz unverfänglich von einem Kremser Lokalbesitzer angesprochen, ob ich nicht in seiner Bar singen würde. Als Folge bin ich sehr lange nicht mehr in diese Bar gegangen, da ich nicht wollte, dass er mich darauf anspricht. Und 2002, beim Hochwasser, veranstaltete er ein Benefiz-Star-Night-Club und er meinte ich soll dort singen mit einer anderen, die schon Bühnenerfahrung hatte. Wir wurden also gegründet... Erst war ich Pianistin und zweite Stimme, aber dann kamen immer mehr Leute, wie Wolfgang Kühn auf mich zu, dass ich doch meine eigenen Songs spielen sollte und so erklärt sich der Schritt zum eigenen Album 2008, obwohl ich als Sozialpädagogin tätig war. Ich fühlte, dass Zeit war etwas anderes zu machen und auf mich zu schauen. Ins Studio habe ich mich mit letzter Kraft hingeschleppt, aber dort mobilisierte ich Kräfte, die ich von mir nicht kannte: zwischen Genie und Wahnsinn. Von 16 Songs schafften es dann 12 aufs Album.

Aus letzter Kraft...?

Ja ich habe das erste Mal auf mich selbst gehört und mich selbst gefunden. Ich hab auf mich selbst vertraut. Woher dieser Mut kam, weiß ich nicht, aber es blieb mir nichts anderes übrig.

Dir scheint es gut damit zu gehen. 

Ja, es ist aber harte Arbeit. Manchmal wünsche ich mir schon so einen normalen Lebensverlauf herbei: in der Früh ins Büro und abends nicht mehr daran denken. Nicht ständig sich selbst vermarkten, aber es ist schon ok so.

Du schreibst ja die Melodien als auch die Texte selbst - wie startest du? 

Das ist ganz unterschiedlich bei mir. Beim ersten Song hatte ich als erstes den Text und dann die Musik. Beim zweiten hatte ich die Musik und der Text kam auf der Bühne. Während eines Konzerts als das Publikum nach dem 1. eigens geschriebenen Song "Unheard" einen zweiten wollten. Ich wollte nicht zugeben, dass ich den zweite noch gar nicht fertig hatte... die Musik war ja da, also das Intro von "Breathing", und ich wusste was passiert in dem Song, aber der Text fehlte. Ich begann einfach zu spielen und zu singen. Vielleicht ist das Lied deshalb etwas holprig oder das Strophe-Refrain-Schema fehlt, aber darauf pfeif ich eh meistens. Der Text ist passiert und hat sich seitdem nicht mehr verändert.
Allgemein glaube ich, dass es mir leichter fällt wenn der Text da ist. Beim ersten Album habe ich viel mit Wolfgang Kühn, Unabhängiges Literaturhaus NÖ, zusammengearbeitet, der mir immer noch Texte und Gedichte von seinen Reisen schreibt. Da lese ich was und -zack- das geht sehr schnell, das die richtige Melodie kommt.

Du bist mit deinem Klavier also schon sehr viel vor imaginäres Publikum gereist - wohin würdest du reisen, mit einem Ticket das du überall hin einlösen könntest? 

Nachdem ich den Film von Sweet Sweet Moon gesehen habe, würde ich fast sagen "Fuck the Atlantic Ocean" - also Argentinien zum Beispiel wäre schön. Ich würde es wahnsinnig gerne ausprobieren in Amerika. Mich interessiert was sie über meine Sprache denken dort. Aber ich habe mich noch nicht darüber getraut mit Klavier. Erstens ist's nicht besonders günstig, und zweitens leide ich unter Flugangst. Amerika ist ein Ziel von mir. Da stehe ich mir leider selbst im Weg. Vor ein paar Jahren lernte ich amerikanische Musiker am donaufestival kennen, die mich seitdem jedes Jahr fragen, wann ich denn endlich nach Amerika komme und spiele.

Das heißt du würdest wenn dann mit deinem Flügel auf Reisen gehen? 

(lacht) Wenn ein Bösendorfer vor Ort ist, dann nehme ich meinen nicht mit. Nein, ernsthaft, es kommt darauf an, aber wäre von Vorteil, wenn mir ein Klavier garantiert wäre. Cool, wäre ein Tourbus. Warum tun wir das nicht? Zum Beispiel im Winter nach Kalifornien.

© Irmie Vesselsky

Wie sieht's mit der Konkurrenz in der Musikbranche aus? Es wird ja doch immer wieder vom Kampf untereinander gesprochen... 

Großes Gift sind Neid und Missgunst. Da scheitern bestimmt auch viele Projekte daran, da man sich nicht mit anderen freuen kann. Man findet sofort etwas was nicht passt, und bewertet sehr, sehr kritisch. Allein schon das Wort Kampf ist ja schon aussagekräftig. Bei uns geht's ganz stark ums Werten und Bewerten. Diese Kraft, die wir gegeneinander anwenden, sollten wir doch eher ins Positive wenden. In erster Linie mache ich Musik für mich, aber manchmal tut's natürlich weh, nicht gespielt zu werden.

Was wünscht du dir für diese Gegend hier, in Krems und rundherum? 

Ich wünsch mir, dass die Leute weniger missmutig sind - also das wünsche ich den Leuten generell, nicht mir. Sie sollen offener gegenüber Veränderungen werden und Mut kriegen, rauszugehen und Dinge zu tun, die Spaß machen und anders sind.

Die letzte Frage ist wieder eine Gedankenspiel-Frage: Hättest du nur einen kleinen Koffer, in dem du deine wichtigsten Dinge einpacken könntest, welche wären es?

Geht ein Klavier rein? Zumindest ein iPad mit 5 Tasten hätte Platz... Stift, Papier und meine Katze... ja, ich bleib bei diesen Dingen.










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